Wer anderen hilft, lebt glücklicher

An negativen Nachrichten mangelt es zurzeit nicht. Wir können das Unglück in der Welt nicht beseitigen und trotzdem glücklicher leben. Die Forschung bestätigt, was wir möglicherweise aus eigener Erfahrung kennen: Helfen stimmt positiv.

Leid, Krieg, Zerstörung … die Medien sind voll davon. Es ist unvorstellbar, was Menschen einander, der Natur und anderen Lebewesen antun. Manch einer verliert die Hoffnung beim Blick in die täglichen Nachrichten. Und doch – das ist nur die halbe Wahrheit. Ja, es gibt viel Schreckliches auf dieser Welt, aber es gibt auch Menschen, die sich für andere einsetzen und viel dafür tun, um Gutes in diese Welt zu bringen. Menschen engagieren sich für andere, helfen und unterstützen, wo sie nur können – privat und beruflich, bezahlt und unbezahlt.

In diesem Beitrag soll der Blick explizit auf das Positive gerichtet werden, ohne dabei Schwierigkeiten und Belastungen zu bagatellisieren. Resilienzorientierung neben Leidorientierung – wie sie von der bekannten deutschen Psychiaterin und Traumatherapeutin Luise Reddemann eingefordert wird.

Wir wissen aus der Forschung, dass soziale Unterstützung einer der wichtigsten Faktoren ist, der eine Erholung, um nicht zu sagen «Heilung», nach traumatischen Erlebnissen ermöglicht. So soll es in diesem Beitrag um die Personen gehen, die diese soziale Unterstützung leisten – die Helferinnen und Helfer. Wir gehen der Frage nach, warum sich Helfen gut anfühlt, ob helfende Personen die «besseren Menschen» sind und wie Helfen Glücksgefühle produziert.

Warum sich Helfen gut anfühlt

Helfen ist anstrengend und kann belasten. Dennoch engagieren sich tausende Menschen ehrenamtlich bei Rettung oder Feuerwehr, arbeiten in ihrer Freizeit als Lehrpersonen, Fussballtrainer, Chorleiterinnen, begleiten sterbende Menschen u.v.m. Warum machen wir das, häufig sogar unbezahlt?

Der deutsche Sozialwissenschaftler und Glücksforscher Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erklärt, dass Freizeitaktivitäten, die der Gemeinschaft dienen, wesentlich mehr Zufriedenheit bringen als beispielsweise eine Gehaltserhöhung. Macht Geld also doch nicht glücklich? Laut dem deutschen Sozialpsychologen Hans-Werner Bierhoff belegen Studien, dass Menschen, die Freunde, Verwandte oder Nachbarn unterstützten oder den Lebenspartner pflegten, ein signifikant reduziertes Sterblichkeitsrisiko aufwiesen. Und zwar unabhängig von Alter oder sozialer Einbindung. Umgekehrt, also für die Personen, die Unterstützung erhielten, galt das jedoch nicht. Auch für die Freiwilligenarbeit ist gut belegt, dass diese die Lebenszufriedenheit erhöht. Anderen Menschen zu helfen, fühlt sich also nicht nur gut an, sondern trägt auch wesentlich zum persönlichen Wohlbefinden und der Lebenszufriedenheit bei. Helfen, so Bierhoff, steigere zudem das Selbstwertgefühl. Da man in Übereinstimmung mit seinen Einstellungen handelt, komme ein Kreislauf der Selbstverstärkung in Gang. Man macht die Erfahrung, etwas bewirken zu können, und das steigere das Selbstwertgefühl.

Sind Helfende die besseren Menschen?

Die Motive, zu helfen, also sich altruistisch zu verhalten, sind vielfältig. Faktoren wie soziale Verantwortlichkeit, Mitgefühl mit leidenden Lebewesen und das Erleben von Selbstwirksamkeit spielen dabei eine Rolle, aber auch Schuldgefühle, das Gefühl, etwas zurückgeben zu wollen, oder Fairness. Ist

Helfen tatsächlich Ausdruck von Altruismus, oder machen wir das nur, um uns selbst besser zu fühlen ob der Ungerechtigkeit der Welt oder um uns von unseren eigenen Problemen abzulenken?

Der amerikanische Psychologe Daniel Batson hat sich mit genau dieser Frage auseinandergesetzt und unterscheidet zwei Motivationssysteme, die dem Helfen zugrunde liegen: das altruistische und das egoistische Motivationssystem. Bat- son und Mitarbeitende formulierten die Empathie-Altruismus-Hypothese, der zufolge Menschen nur dann altruistisch handeln, wenn sie Empathie empfinden. Durch Empathie wird Besorgnis um jemanden ausgelöst, was dazu führt, dass wir uns um diese Personen kümmern. Hilfeverhalten kann aber auch ohne Empathie stattfinden und durch das egoistische Motivationssystem aktiviert werden. Das wäre dann der Fall, wenn wir helfen, um unser persönliches Unbehagen zu reduzieren. Helfen wir jedoch aus egoistischen Gründen, stellen wir eine Art Kosten-Nutzen-Rechnung auf: Wir wählen jene Handlungsalternative, welche die niedrigsten Kosten und die grösste Belohnung verspricht. Es kann also sein, dass wir die Fluchtmöglichkeit wählen, wenn wir uns unbeobachtet glauben, obwohl eine Person unsere Hilfe benötigt (beispielsweise bei einem Autounfall). Überwiegt jedoch die empathische Besorgnis, werden wir eher helfen, auch wenn wir eine ein- fache Fluchtmöglichkeit hätten. Während bei empathischer Besorgnis Gefühle wie Wärme, Weichherzigkeit oder Mitgefühl vorherrschen, fühlt man sich bei persönlichem Unbehagen alarmiert, beunruhigt und niedergedrückt, wenn man mit dem Leid des Opfers konfrontiert wird. Die Empathie-Altruismus-Hypothese wurde durch zahlreiche Experimente empirisch belegt.

Helfen produziert Glücksgefühle

Helfen kann zu positiven Gefühlen bei der helfenden Person führen. Ähnlich wie sportliche Betätigung («Runner’s High») kann Helfen zum sogenannten «Helper’s High» führen. Neurowissenschaftler aus den USA fanden heraus, dass bei Freiwilligenarbeit oder Spendentätigkeit dasselbe Hirnareal aktiviert wird, das auch bei anderen freud- und lustvollen Tätigkeiten wie Sex oder Essen reagiert. Man spricht auch vom Belohnungssystem im Gehirn. Dieses Hirnareal, mesolimbisches System genannt, schüttet dabei die sogenannten «Feelgood»-Neurotransmitter wie Oxytocin und Vasopressin aus. Das hat zur Folge, dass sich Menschen beim Helfen tatsächlich gut fühlen und diesen Zustand wieder herbei- führen möchten. Spannend dabei ist, dass das entsprechende Hirnareal schon allein durch das Denken an eine wohltätige Tätigkeit aktiviert wird. Man kann also sagen: Helfen produziert Glücksgefühle, stärkt das Immunsystem und reduziert Stress.

Dr.in Johanna Gerngroß ist Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin sowie Notfallpsychologin. Sie unterrichtet an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien und leitet Universitätslehrgänge zu Notfall- und Traumapsychologie. Zudem ist sie Geschäftsführerin einer Unternehmensberatung (COMMITMENT Institut®), Buchautorin und in freier Praxis tätig.

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