«Umarme das Unerwartete!» – Theo Wehner über die Kultur des Scheiterns

Das Scheitern als Chance: Prof. em. Dr. Theo Wehner spricht sich für eine Kultur des Scheiterns aus, die «alles erwartet und somit nie enttäuscht werden kann».

Mit Michel Foucaults Zitat «Das Leben ist, was zum Irrtum fähig ist», stieg Prof. em. Dr. Theo Wehner fulminant in sein Referat über «das Scheitern» ein. Denn die persönliche Einstellung und das tatsächliche Verhalten weisen Differenzen auf: das Handeln ist zwar vorhersagbar, aber nicht determiniert. Die Differenz zwischen dem gewünschten und tatsächlichen Ergebnis – in diesem Fall der Grad der Zielverfehlung – führt zu unerwarteten Ereignissen.

Permanente Unsicherheit akzeptieren
Der Mensch kann diese mit den richtigen Strategien gut bewältigen. Dies hängt stark von seiner Situation, seinem Interesse, der jeweiligen Erwartung und letztendlich seinem Willen ab. «In der heutigen Wissensgesellschaft handeln wir permanent unter Unsicherheit», so Wehner. Die Unsicherheit als akzeptierter Normalzustand hilft, sich flexibel auf Unvorhersehbares einzustellen und die neue Situation rascher anzunehmen.

Aus Fehlern lernen
In Unternehmen spricht man dabei von einer gelebten Fehlerkultur, die vor allem eine Frage der Haltung ist. Ein Fehler (wider besseren Könnens und Wissens) sollten von einem Irrtum (fehlende Einsicht oder Information) unterschieden werden. Es geht nicht darum, nach den Fehlern oder Verursachern zu suchen, sondern darum zu verstehen, warum dieses vermeintlich «falsche» Handeln im Entscheidungsmoment für die Verantwortlichen Sinn gemacht hat. Nur mit dieser Neugier können Kompetenzen entwickelt werden und ist eine Weiterentwicklung möglich.

«Umarme das Unerwartete» bringt es auf den Punkt: Die innere Flexibilität, sich auf eine Beziehung zu einem in die Irre gehenden Sein einzulassen und dann situativ zu entscheiden, trägt sehr zum Wohlbefinden und letztendlich zum Gelingen – oder eben Scheitern bei.

 

Prof. em. Dr. Theo Wehner, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich 
Theo Wehner ist seit Oktober 1997 ordentlicher Professor für Arbeits-​ und Organisationspsychologie am Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften und seit Oktober 2015 emeritierter Professor der ETH Zürich und Gastprofessor an der Universität Bremen. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind die psychologische Fehlerforschung, das Verhältnis von Erfahrung und Wissen, kooperatives Handeln und psychologische Sicherheitsforschung.

 

«Ja, es geht Sie etwas an!» – Imke Knafla über die Rolle von Führungskräften bei Krisen

Covid hat seine Spuren hinterlassen, wie eine Studie der Uni Bern aus 2022 zeigt: 30% der Arbeitnehmenden fühlen sich ziemlich oder sehr erschöpft. Dies kostet der Schweizer Wirtschaft rund 6.5 Mrd. CHF pro Jahr. Imke Knafla betont die Wichtigkeit von Führungskräften und welche Rolle sie einnehmen müssen, um die psychische Gesundheit ihrer Teams zu erhalten.

Die Zahlen geben Anlass zur Sorge: Die psychische Belastung von Arbeitnehmenden hat während Covid zugenommen und bleibt auch aktuell unverändert hoch. 30% der Arbeitnehmenden fühlen sich ziemlich oder sehr erschöpft, wobei vor allem die junge Generation unter 30 besonders stark betroffen ist.

«Aufgrund des «Spillover»-Effekts ist es nicht relevant, ob die Belastung einen privaten Ursprung hat, da sie früher oder später die Arbeitsleistung beeinflussen wird», führte Knafla dazu aus. Dementsprechend ist es wichtig, dass das Unternehmen und die Führungskräfte sich dem Thema annehmen und Massnahmen ergreifen. Das fängt mit der richtigen Haltung an: Nur wer das Thema «psychische Belastung» am Arbeitsplatz in Betracht zieht und dafür sensibilisiert, kann auch erwarten, dass sich die Mitarbeitenden unterstützen lassen. «Die «Burnout»-Thematik der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass die Aufmerksamkeit für psychische Belastungen mehr gegeben ist», so Knafla.

Den Menschen als Ganzes betrachten
In einem nächsten Schritt geht es darum, die Führungskräfte darin zu schulen, Auffälligkeiten zu erkennen, diese anzusprechen und Unterstützung anzubieten. Der Umgang mit psychisch belasteten Personen erfordert allerdings Geduld und Feingefühl – nicht jede/r Betroffene geht offen damit um und nimmt Unterstützung an. Die Führungskräfte sollten dabei auch nicht nur auf den Erhalt der Arbeitsleistung abzielen, sondern den Menschen als Ganzes betrachten. Ansonsten gilt es, einen engen Kontakt mit der betroffenen Person beizubehalten und das Angebot der Unterstützung aufrechtzuerhalten. Sofern externe Fachpersonen notwendig sind, sollten diese beigezogen werden.

Gelebte Sorgekultur ist zentral
Knafla erachtet auch übergeordnete Massnahmen als wichtig: «Im Idealfall gestalten Unternehmen ihre Unternehmenskultur so, dass die Mitarbeitenden von selbst auf ihre Vorgesetzten zugehen». Um dies zu erreichen, braucht es eine Kultur des Hinsehens (Sorgekultur), gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen und eine Vorbildfunktion der Führungskräfte. Nur so kann Vertrauen aufgebaut und gelebt werden.

Der Output kann sich sehen lassen – eine Sorgekultur fördert die Motivation der Arbeitnehmenden und die Fluktuation und Ausfallzeiten verringern sich, was sich letztendlich auch positiv auf den Erfolg des Unternehmens und die volkswirtschaftlichen Folgekosten auswirkt.

 

Prof. Dr. Imke Knafla, Leiterin des Zentrums für Klinische Psychologie & Psychotherapie, ZHAW
Prof. Dr. Imke Knafla ist Co-Leiterin des Zentrums Klinische Psychologie & Psychotherapie am Institut für Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, Coach & Supervisorin leitet die psychologische Beratungsstelle der ZHAW.

 

«Die Anerkennung des anderen ist unverwechselbar kostbar» – Giovanni Maio über die Sorgekultur in der heutigen Zeit

Der Bruch bei ausserordentlichen Ereignissen sorge für eine tiefe Verletzlichkeit beim Menschen und teilt sein Leben fortan in ein «davor» und «danach». Die Hilfe und Sorge um die Betroffenen ist essenziell und besteht zuerst einmal aus der richtigen Haltung.

Prof. Dr. Giovanni Maio tritt leise auf. Während seines Vortrags, der ohne jede Präsentation auskam, konnte man ihm buchstäblich beim Denken beobachten. In rund 45 Minuten schälte er die Essenz der Sorge aus seinem Gedankengerüst heraus. Dazu begann er mit der Krise an sich: Diese bricht unangekündigt über einen herein und sorgt für ein Ohnmachtsgefühl. Sie bemächtigt sich der gesamten Aufmerksamkeit, des ganzen Menschen und unterbricht das Leben in seinem täglichen Tun und Sein Damit einher geht eine Erschütterung im Grundvertrauen, oft gepaart von einem Vertrauensverlust in die Welt und einer Hilflosigkeit angesichts der Zukunft. Diese Verletzlichkeitserfahrung ist ausserordentlich und teilt die Welt zukünftig in ein «davor» und «danach».

Krisen radikal entkoppeln
Bevor er in die Sorge als aktives Tun eintauchte, ergründete Maio die Ursachen für diese Verletzlichkeit. Der Mensch ist abhängig von der Welt, die ihn umgibt. Neben der körperlichen Unversehrtheit braucht er Beziehungen, woraus wiederum Anerkennung für das eigene «Ich» resultieren. Die Zeit für dieses «Ich» ist allerdings zeitlich beschränkt und die radikale Endlichkeit des Menschen steht immer im Raum. Bricht eine Krise über den Menschenherein, werden diese Abhängigkeiten und Beziehungen nicht nur unterbrochen, sondern für eine gewisse Zeit auch ausgehebelt.

Anerkennende Sorge heilt
Die aktive Sorge für die Betroffenen kann heilen, wenn sie «richtig» gelebt wird. Neben der offenen und erwartungsfreien Haltung geht es vor allem darum, das Anliegen der Betroffenen zu verstehen und sehr gut zuzuhören. «Sorge ist auch zu verstehen, was der oder die andere braucht und nicht, was ich als Sorgender und Sorgende möchte.» Mit dieser Zuwendung ist auch der notwendige Beziehungsaufbau sehr gut möglich. Für das weitere Gespräch braucht es oft ein Höchstmass an Feingefühl, um die Scham zu überwinden und das Gegenüber in sein Innerstes blicken zu lassen. Sorgende antworten darauf mit einer Unbeirrbarkeit in ihrem Tun und bleiben, bestätigt und unterstützt, solange es sie braucht. «Du bist kostbar», drücken Sorgende aus und bringen den Betroffenen damit das zurück, was sie so sehr brauchen: die Anerkennung als Mensch in seiner Einzigartigkeit.

 

Prof. Dr. Giovanni Maio, Professor für Medizinethik, Universität Freiburg im Breisgau
Giovanni Maio, M.A. (phil., geb. 1964) studierte Medizin und Philosophie an den Universitäten Freiburg, Straßburg und Hagen. Nach seiner Promotion zum Dr. med in Freiburg absolvierte er eine Facharztausbildung für Innere Medizin. Im Jahr 2000 habilitierte er sich an der Universität Lübeck für Ethik und Geschichte der Medizin. 2002 wurde er in die zentrale Ethikkommission für Stammzellenforschung berufen. Seit 2005 ist er Professor für Bioethik und Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und leitet das dortige interdisziplinäre Ethikzentrum.

 

Carelink als «Zuversichts-Stifterin»

Was ist Zuversicht und wie können wir sie fördern und pflegen? Dieses Thema stand im Zentrum der diesjährigen Freiwilligentagung in Glattbrugg. Sie bot viel Inspirierendes und Praktisches.

Fulminant und überraschend war der Einstieg zur diesjährigen Freiwilligentagung vom 17. Juni in Glattbrugg. Mark Riklin, Philosoph und Glücksforscher, lud die rund 100 Teilnehmenden bereits zu Beginn der Tagung dazu ein, sich als TräumerInnen oder RealistInnen zu outen. In einer weiteren Runde notierte er Spontannennungen zu kleineren und grösseren Alltagserfolgen, was eine doch eindrücklich lange Liste ergab. Erstaunlich, wie wenig es braucht für Freude und Glücksmomente: Es reichen ein unbelastetes Aufwachen am Morgen, Kinderfantasien, bereichernde persönliche Beziehungen oder gar Pflanzen-begrünte Bushaltestellen. Positive Momente lassen sich also ohne weiteres finden. «Wer sich stets vor Augen führt, dass die Welt besser ist, als manche denken, verbreitet Zuversicht», so Riklin. Und: «Zuversicht gibt uns Mut, den wir insbesondere auch im Umgang mit Unsicherheiten brauchen».

Die menschliche Verletzlichkeit sei «was uns Sorgen bereitet und zugleich vereint», sagt Prof. Dr. Giovanni Maio. So gebe es bei ausserordentlichen Ereignissen jeweils einen Bruch, der alles erschüttern könne und den viele fürchten würden. In solchen Momenten seien wir unserer Verletzlichkeit ausgesetzt. Über Beziehungen schaffe diese aber auch Brücken, die Sicherheit geben würden. Verletzlichkeit verlange danach, zu sich selbst Sorge zu tragen. Damit einher gehe es, Haltungen zu entwickeln, die dazu taugen würden, «Antworten zu geben und Zuversicht entstehen zu lassen», so der deutsche Philosoph und Medizinethiker.

Prof. em. Theo Wehner erinnerte im Zusammenhang mit dem Thema Zuversicht an Edward A. Murphy: Seine Weisheit steht für die Annahme, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird. Scheitern bedeute unter anderem, Fehler beim Namen zu nennen. Dies stärke im Leben, weil Menschen antizipierende Wesen seien, die zum Perspektivenwechsel fähig seien und dadurch das Verhalten planen und verändern könnten.

Gemäss dem Arbeits- und Organisationspsychologen müssten Mitglieder eines Careteams in der Lage sein, mit Unsicherheit umzugehen und auf Fehler und Enttäuschung zu reagieren. Freiwilligenarbeit in dieser Form sei eine psycho-soziale, sinnstiftende Ressource für das Individuum und «im Grund das soziale Kapital der Gesellschaft». Dabei unterstrich Wehner, dass Anerkennung und Dankbarkeit zur Freiwilligenarbeit motivieren würden. Dies funktioniere aber nur so lange, wie die Arbeit nicht als Verpflichtung wahrgenommen werde.

Zuversicht als zentraler Themenbogen, Freiwilligenarbeit des Careteams als Beitrag zu einer sozialen Gesellschaft und, mittendrin, Carelink als Triebfeder und «Sinnstifterin» – die Freiwilligentagung 2023 bleibt in guter Erinnerung.

Ein wertfreier Umgang mit Emotionen fördert die Gesundheit

Emotionen bringen Farbe in unser Leben – manchmal tröpfchenweise und je nach Ereignis zuweilen auch überflutend. Das wertfreie Annehmen aller Emotionen wirkt stabilisierend und gesundheitsfördernd. Janine Köhli, Notfallpsychologin bei Carelink, beschreibt, wie diese Erkenntnis in der Notfallpsychologie genutzt wird.

Im Alltag werden Emotionen (aus dem Lateinischen «ex movere» für «herausbewegen») oft in positive und negative eingeteilt. Während negative Emotionen, wie Traurigkeit, unerwünscht sind, weil sie uns Energie entziehen, sind positive Emotionen, zum Beispiel Freude, erwünscht. Sie beleben.

Eine solche Wahrnehmung übersieht die psychische Funktion von Emotionen. Denn Emotionen sind nicht von Natur aus gut oder schlecht, sondern haben immer einen Sinn und sind darum wichtig. Als komplexe, prozesshafte Reaktionen auf Ereignisse mobilisieren sie Kräfte, die uns in Richtung unserer Bedürfnisse bewegen. Sie sind wesentlicher Bestandteil des Menschseins und umfassen mehrere Aspekte. Neben einem Gefühl lösen sie auch körperliche und gedankliche Prozesse aus sowie ein Verhalten, welches das bedrohte Bedürfnis sichert. So löst Angst beispielsweise Herzrasen aus, das uns eine Gefahr erkennen und uns in Sicherheit fliehen lässt. Eine Einteilung der Emotionen nach ihrer Erlebnisart in angenehme und unangenehme Emotionen wird ihrer Natur gerechter.

Gemäss Forschungsergebnissen geht es Menschen insgesamt besser, wenn sie ihre unangenehmen Emotionen beachten und als normal anerkennen, anstatt sie zu unterdrücken. Gleichzeitig erweitert das Kultivieren angenehmer Emotionen unsere Wahrnehmung und fördert flexibles Denken, was die Widerstandsfähigkeit stärkt.

Die Daseinsberechtigung aller Emotionen im Sinn eines «Sowohl-als-Auch» trägt wesentlich zur psychischen Gesundheit bei und wird in der Notfallpsychologie eingesetzt. Ausgelöst durch potenziell traumatisierende Ereignisse können Personen von einer Wucht an Emotionen gepackt und durchgeschüttelt werden. Im Gegensatz zur Psychotherapie werden in der Notfallpsychologie solche Emotionen nicht proaktiv angesprochen oder vertieft. Denn das frühe, erzwungene «Durcharbeiten» von Emotionen erschwert eine Stabilisierung und kann Stressreaktionen verstärken, die das Befinden der betroffenen Person zusätzlich verschlechtern. Werden Emotionen allerdings von der betroffenen Person selbst angesprochen, wird auf die Stabilisierung fokussiert:

  • Anerkennen: Emotionen werden gehört und benannt. («Ich höre, Sie haben Angst.»)
  • Erlaubnis geben: Emotionen werden normalisiert und legitimiert. Jedes Gefühl hat einen guten Grund, ist es doch gerade dieses, welches der Person signalisiert, dass sie sich in einer Ausnahmesituation befindet. («Sie dürfen mit Angst reagieren, solche Situationen lösen diese aus.»)
  • Keinen Druck erzeugen: Floskeln, wie «die Zeit heilt», oder unangebrachte Positivität, wie «im Schlechten liegt auch Gutes», werden vermieden. Die Emotionen der Person haben ihre Berechtigung.
  • Zuversicht vermitteln: Durch die Förderung von angenehmer Entlastung und Sicherheit kann die betroffene Person ihren Blick zunehmend für die nächsten, machbaren Schritte öffnen.

In der Notfallpsychologie besteht die emotionale Unterstützung in der Herstellung eines sicheren Rahmens als angenehmes, entlastendes Gegengewicht zur unangenehmen Belastung durch die Ausnahmesituation. Und obwohl Emotionen während des Ereignisses nicht direkt angesprochen werden, stehen diese im Nachhinein häufig im Zentrum dankbarer Rückmeldungen von Betroffenen: Es habe «gutgetan», dass in der Ausnahmesituation jemand für einen da gewesen sei und unvoreingenommen zugehört habe.

Autorin:
Janine Köhli ist Notfallpsychologin bei Carelink und leitet das Ausbildungsangebot Care&Peer Practice (CPP). Sie ist selbstständige Psychotherapeutin. Emotionsfokussierte Techniken ihr Schwerpunkt.

Literatur:
David, S. (2020). Emotionale Beweglichkeit. Für freie Entfaltung mit klarem Blick und offenem Geist. Narayana Verlag.
Hausmann, C. (2021). Interventionen der Notfallpsychologie. Was man tun kann, wenn das Schlimmste passiert. 2. überarbeitete Auflage. Wien: Facultas.

Notfallpsychologische Unterstützung in der Ukraine

35 ukrainische Schulpsychologinnen und -psychologen nahmen jede Woche drei bis vier Stunden lang an webbasierten notfallpsychologischen Trainings und Supervisionen teil. In der Ukraine, teils mitten im Kriegsgebiet. Das Projekt heisst «helping to cope», verkürzt «hope» und hat die Prävention von schweren und langwierigen Trauma-Folgestörungen zum Ziel.

Kurz nach der russischen Invasion baten ukrainische Psychologen die Psychologische Hochschule in Berlin um fachliche Unterstützung. Diese Anfrage ging an die Fachgruppe Notfallpsychologie des Berufsverbands deutscher Psychologinnen und Psychologen. Damaris Braun und Lena Deller-Wessels stellten daraufhin innert kurzer Zeit zusammen mit der AETAS-Kinderstiftung und der Medical School Hamburg ein Pilotprojekt mit notfallpsychologischen und therapeutischen Aspekten für die Ukraine auf die Beine.

Neben psychotraumatologischen Grundlagen wurde grosses Gewicht auf die praktische Umsetzung wie Stressbewältigungstechniken und Fallbearbeitungen gelegt. Die Schwierigkeit bestand darin, dass die meisten notfallpsychologischen Konzepte nicht auf eine Kriegssituation ausgelegt sind. «Die Frage war, wie können wir die vorliegenden Konzepte bestmöglich auf die ukrainischen Bedürfnisse anpassen?», erklärt Damaris Braun. Dafür waren Erfahrung in der Arbeit mit Kindern in Krisenregionen, aber auch Expertise in kindgerechter Sprache nötig. Allen Beteiligten war ein respektvoller Umgang wichtig.

Die Ukraine hat eine gute schulpsychologische Versorgung – jede Schule verfügt über eine Fachperson. Die Psychologinnen und Psychologen betreuen auch Lehrkräfte. Mit acht Millionen Binnenflüchtlingen und der schon länger schwelenden Kriegssituation sind die Lehrkräfte und psychologischen Dienste sehr belastet. Fragen wie «Wie gestaltet man einen Unterricht, wenn die Klasse in einen Bunker muss?» oder «Wie geht man bei einem Bombenalarm mit Angstzuständen der Schulkinder um?», stehen im Vordergrund.

Bereits im Juni 2022 startete ein Pilotdurchgang mit 35 Teilnehmenden, eine zweite Schulung konnte im Herbst 2022 beginnen. Die Nachfrage war gross. Die ukrainischen Kolleginnen und Kollegen haben Damaris Braun beeindruckt – «insbesondere der Lernwille und die Offenheit, sich neben dem schwierigen und belastenden Alltag für diese Weiterbildung zu engagieren.» Dieses Projekt wäre ohne ehrenamtliches Engagement nicht möglich gewesen. Die mehrstündigen notfallpsychologischen Online-Trainings und -Supervisionen sind für beide Seiten anstrengend und werden durch eine Dolmetscherin ins Ukrainische übersetzt.

Üblicherweise wird die Notfallpsychologie dann eingesetzt, wenn die körperliche Sicherheit gewährleistet ist. Das ist in einem Kriegsgebiet nicht möglich. «Wir wissen aus anderen Krisenregionen, dass Mütter unter solchen Bedingungen nicht mehr mit ihren Kindern spielen und sich die Eltern-Kind-Interaktion verändert», sagt Damaris Braun. Wie Kindern und Jugendlichen Bindung und Stabilität vermittelt werden können, ist daher zentral. Die Schule übernimmt eine wichtige Rolle. Das beginnt mit der Vermittlung der Information, welche Reaktionen normal sind in einer aussergewöhnlichen Situation, und welche Prinzipien von den Lehrkräften angewendet werden können, um Sicherheit zu vermitteln.

Damaris Braun berührt insbesondere die Dankbarkeit der Teilnehmenden. Das Projekt wirke durch den Austausch und die Anerkennung der Situation ressourcenverstärkend allein dadurch, dass es bestehe, stellt Damaris Braun fest. Über die Aus- und Weiterbildung hinaus will das Projekt so viele Lehrkräfte wie möglich erreichen. An einer Konferenz in der letzten Märzwoche schalteten sich über 300 Fachpersonen aus der Ukraine zu.

Noch ist die Fortführung, bisher von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Psychologischen Hochschule Berlin sowie der AETAS-Kinderstiftung unterstützt, nicht gesichert. Alle Beteiligten hoffen, dass die Finanzierung für die nächste Aus- und Weiterbildung, die im Herbst 2023 starten soll, erreicht werden kann, denn «der Bedarf ist sehr gross», sagt Damaris Braun.

Weitere Informationen zum Projekt und den Verantwortlichen in der Ukraine und in Deutschland finden Sie hier.

Wie geht ein Careteam bei einem Notfall vor?

Schnell vor Ort zu sein, ist das eine – den Betroffenen rasch ein Verständnis der Situation zu ermöglichen, das andere. Regula Lanz, bei Carelink als Notfallpsychologin verantwortlich für die Aus- und Weiterbildung, hat für Penso, die Zeitschrift für HR, Sozialversicherungen und Personalvorsorge, die Arbeitsweise von Careteams erklärt. Hier eine Zusammenfassung.

Wird in den Medien über einen schweren Unfall berichtet, dann häufig mit dem Zusatz, dass ein Careteam im Einsatz stehe. Doch wie geht ein Careteam vor, wenn es auf ein aussergewöhnliches Ereignis trifft?

Unmittelbarkeit oder zeitliche Nähe sind ebenso wichtig wie eine professionelle Organisation. Aus diesem Grund haben grössere Unternehmen wie die SBB oder Fluggesellschaften selbst Mitarbeitende ausgebildet, um bei einem Notfall Unterstützung leisten zu können. Die meisten Firmen greifen im Bedarfsfall jedoch auf professionelle Organisationen wie z. B. Carelink zurück. «Care» ist dabei Teil eines umfassenden Krisen- und Notfallplans.

Mögliche Notfallsituationen in Unternehmen sind Unfälle, Überfälle oder Suizide. Diese Ereignisse erschüttern die betroffenen Menschen ebenso wie medienwirksame Massenkarambolagen, Terroranschläge oder ein Flugzeugabsturz, wie Regula Lanz erklärt.

Der Auftrag an das Careteam, ob Klein- oder Grossereignis, ist grundsätzlich der gleiche. Auf eine Analyse vor Ort folgen die Empfehlungen zur Unterstützung, die mit den Auftraggebenden abgestimmt werden. Erstes Ziel ist die Entlastung und Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Die Herausforderung besteht darin, dass Menschen unter extremem Stress häufig völlig anders reagieren, als sie erwarten.

«Wir helfen dabei, wieder Struktur, Sicherheit und Ruhe zu finden», sagt Regula Lanz. Das bedeutet bei einem ausserordentlichen Vorfall, dass die Menschen eine Art roten Faden durch die Ereignisse finden – also ein Verständnis davon, was vorgefallen ist. Mit einem Gespräch über das Ereignis und dessen Ablauf kann die Erregung gemindert werden und die Verarbeitung Schritt für Schritt beginnen. «Die Menschen können sich beruhigen, indem sie über das Geschehene sprechen», erläutert Regula Lanz. Das Careteam unternimmt immer so viel wie nötig, um die Betroffenen zu ermächtigen, selbst entscheiden zu können.

Mittelfristig gilt es zu vermeiden, dass Menschen als Folge des Ereignisses posttraumatische Belastungsstörungen oder Ängste, Sucht und Depressionen entwickeln. Daher gibt es nach einer psychologischen Notfallbetreuung mindestens einen sogenannten Call-Back, einen Nachfolgekontakt. Wenn die Betroffenen über andauernde Probleme wie beispielsweise Schlafstörungen klagen, wird eine therapeutische Begleitung erforderlich, welche die Notfallpsychologie nicht leisten kann. Carelink unterstützt hier mit der Vermittlung von entsprechenden Kontakten.

Den ganzen Beitrag und praktische Take-Aways zum Einsatz von Careteams finden Sie in der Penso-Ausgabe 02/2023 und hier.

Hilft Care bei der Wiedereingliederung nach Schicksalsschlägen? Eric Sigrist kennt beide Bereiche.

Vertrauen ist für Eric Sigrist der Schlüssel zu einem guten Gespräch und «manchmal braucht es nicht viel». Als Caregiver kann er von seinem beruflichen Rucksack als Wiedereingliederungsfachmann profitieren. Umgekehrt fliessen die Erfahrungen im Umgang mit traumatisierten Menschen in seine tägliche Arbeit ein.

Wieso engagierst du dich als Wiedereingliederungsfachmann als Caregiver?

Seit 25 Jahren bin ich in der Arbeitsintegration tätig. In meiner täglichen Arbeit treffe ich oft auf Menschen, die lebenseinschneidende Ereignisse erlebt haben und Mühe bekunden, diese zu verarbeiten. Mein Anliegen als Caregiver ist es, direkt nach einem solchen Erlebnis betroffene Menschen in einer schwierigen Situation zu entlasten.

Welche Unterschiede gibt es zwischen deiner täglichen Arbeit und Einsätzen als Caregiver?

Die Herangehensweise ist nicht dieselbe, weil die Situation eine andere ist. Als Caregiver befinde ich mich unmittelbar in einem Ereignis; in der Beratung im Wiedereingliederungsprozess liegt ein mögliches traumatisches Ereignis schon etwas länger zurück.

Worin besteht die besondere Herausforderung?

Als Caregiver bin ich gefordert, innert kurzer Zeit Vertrauen und eine tragfähige Beziehung aufzubauen, damit sich Betroffene ernst genommen fühlen und sich für ein Gespräch öffnen. Vertrauen ist die Basis, um einen Menschen zu motivieren über das Erlebte zu sprechen und ein gutes Gespräch entstehen zu lassen.

Hilft dir dabei dein Erfahrungsrucksack als Wiedereingliederungsfachmann?

Ja, im Wiedereingliederungsprozess erlebe ich manchmal Menschen, die noch leiden. Sie fühlen sich nicht gut, sind psychisch angeschlagen, auch wenn das belastende Ereignis weit zurückliegt. Der Aufbau der Selbstwirksamkeit und die Förderung des Selbstvertrauens sind dann wichtig.

Gibt es eine Lücke zwischen dem Einsatz als Caregiver und der Wiedereingliederung?

Wie Menschen mit belastenden Situationen umgehen, ist abhängig von deren Resilienz. Das persönliche Umfeld ist wichtig, aber auch die Unterstützung von psychiatrischen und psychologischen Fachpersonen sowie Arbeitgebenden. Was viele nicht wissen: Die IV bietet Massnahmen zur Wiedereingliederung bei einer Rückkehr an den Arbeitsplatz an. Es gibt leider Arbeitgebende, die eine Kündigung aussprechen, weil sie uneingeschränkt leistungsfähige Mitarbeitende bevorzugen.

Was ist die Schwierigkeit bei der Reintegration mit einer psychischen Beeinträchtigung?

Im Gegensatz zu einer körperlichen Beeinträchtigung ist die psychische nicht unmittelbar sichtbar. Die Unsichtbarkeit erschwert es Arbeitgebenden, eine Person zu integrieren. Es kommt daher auch auf die betroffene Person an, wie sie selbst mit der eigenen Gesundheitssituation umgeht.

Fehlt es an Verständnis für die Herausforderungen einer Arbeitsintegration?

Ich bespreche mit Arbeitgebenden, was zu erwarten ist und welche möglichen Herausforderungen aufgefangen werden müssen. Zentrale Fragen sind, was am Arbeitsplatz umsetzbar ist und was nicht.

Was befähigt dich, als Caregiver tätig zu sein?

Es geht darum, den Menschen wieder Sicherheit und Orientierung zu vermitteln und mit Zuversicht vorwärtszuschauen. Mir wird nachgesagt, dass ich Ruhe ausstrahle. Als Caregiver muss man Ruhe vermitteln können oder versuchen, eine solche zu schaffen. Zudem ist uneingeschränkte Offenheit wichtig. Die Arbeit als Caregiver ist sehr ressourcenorientiert und wiederermächtigend. Hierfür ist es hilfreich, innert kürzester Zeit Vertrauen aufbauen zu können.

Du hast ein Buch über Vertrauensbildung geschrieben. Wie schafft man solche?

Ich versuche, in der Betreuung und Beratung offen auf die Menschen zuzugehen. Sie sollen spüren, dass ich mit ihnen vorurteilslos ins Gespräch gehe. Es soll ein sicherer Raum geschaffen werden, in dem Emotionen und Schamgefühle ihren Platz finden. Es sind kleine Dinge, die das Vertrauen bilden.

Zu guter Letzt: Was gibt dir die Aufgabe als Caregiver?

Ich denke nicht darüber nach, was es mir bringt, sondern darüber, was ich in einer schwierigen Situation beitragen kann, um unterstützend und entlastend einzuwirken. Bei meinem ersten Einsatz habe ich mit zwei Männern je ein halbstündiges Gespräch geführt. Echtes Interesse, aktives Zuhören und Empathie haben dazu geführt, dass sie mir nach dem Gespräch mitgeteilt haben, dass ihnen das «Darüber-Sprechen» gutgetan und entlastend gewirkt habe. Das war für mich ein Aha-Erlebnis. Manchmal braucht es nicht viel.

 

Eric Sigrist ist seit 25 Jahren in der Arbeitsintegration tätig sowohl als Berufs- und Laufbahnberater als auch als Wiedereingliederungsfachmann, aktuell bei der Invalidenversicherung. Als Autor hat er sich mit der «Vertrauensbildung und Beziehungsgestaltung in der psychosozialen Beratung» befasst. Er engagiert sich seit 2018 bei Carelink als Caregiver. Seit Sommer 2022 hat er die Funktion eines Teamleaders im Einsatz.

Notfallpsychologie und Spiritualität

Die Bedeutung von Spiritualität in der Betreuung nach ausserordentlichen Ereignissen. Hier werden Kopf und Bauch verbunden und treffen mitten ins Herz.

Wie geht Selbstfürsorge? Andi Zemp zeigt Wege auf.

Personen mit Führungsfunktion müssen nicht zuletzt sich selber führen. Indem sie sich treu bleiben und auf Ausgleich achten, sorgen sie für sich selbst. Wie geht das genau? Andi Zemp* macht dazu ein paar einfache, einleuchtende Gedankengänge.

Banal gefragt, Herr Zemp: Gibt es ein Rezept, wie Vorgesetzte für sich selbst und ihr eigenes Wohlergehen sorgen können?

Andi Zemp: Egal ob Führungskraft oder nicht: Jeder Mensch sollte lernen, für sein psychisches Wohlbefinden selbst zu sorgen. Dafür braucht es unter anderem einen Ausgleich zur Arbeit, und dabei geht es gemäss meiner Erfahrung weniger um die vielzitierte Work-Life-Balance als vielmehr um die Balance zwischen Spannung und Entspannung: Wer sich privat entspannen kann, steckt beruflichen Stress besser weg. Wenn hingegen die private Situation angespannt ist, weil es zum Beispiel in der Partnerschaft hapert oder ein Familienmitglied intensiver Pflege bedarf, sollte zum Ausgleich die berufliche Arbeit entspannend wirken.

Können Vorgesetzte denn überhaupt entspannend arbeiten?

Andi Zemp: Machen wir uns nichts vor: Viele Vorgesetzte haben Phasen in ihrem Arbeitsleben, in denen weniger läuft. Dadurch haben sie sehr wohl Möglichkeiten zum Entspannen. Auf jeden Fall können sie ihre Arbeitsbelastung eher selber regulieren und Aufgaben auch delegieren. Das können Untergebene nicht oder zumindest nicht im gleichen Ausmass.

Was, wenn eine vorgesetzte Person ihrerseits eine vorgesetzte Person hat? Das ist ja im mittleren Management so.

Andi Zemp: Solche Sandwich-Positionen sind zugegeben am schwierigsten. Personen im mittleren Management sehen sich Erwartungen von oben und von unten ausgesetzt, und nicht zuletzt stellen sie auch Erwartungen, manchmal überhöhte, an sich selbst.

Und wie geht jemand nun mit diesem Druck um?

Andi Zemp: Grundsätzlich: Wer die eigenen Bedürfnisse kennt und ihnen Raum gibt, kann am besten mit Druck, Ansprüchen, Erwartungen und Stress umgehen. Konkret gilt es zu unterscheiden zwischen Person und Funktion: Ich als Person brauche Raum, und ich mache meine Arbeit auf meine Art. Ich bin als Mensch einzigartig und – entgegen der gängigen Floskel – nicht ersetzbar. Meine Funktion hingegen, die kann auch jemand anders ausüben.

Diese Haltung setzt allerdings ein gesundes Selbstbewusstsein voraus.

Andi Zemp: Ja, Selbstbewusstsein ist hilfreich. Selbstbewusstsein lässt sich allerdings auch entwickeln, so es daran mangeln sollte.
Viele Menschen ziehen ihr Selbstbewusstsein fast ausschliesslich aus der Arbeit. Doch der Selbstwert darf nicht nur von der Arbeit abhängen. Der Selbstwert hat primär nichts mit Leistung zu tun! Ein einfaches Beispiel aus dem Privatleben: Man mag eine Person nicht, weil sie vielleicht gut kocht, sondern weil sie ist, wie sie ist. Wir kommen alle als Originale auf die Welt und sind einzigartig. Bei manchen Menschen habe ich den Eindruck, dass sie – bewusst oder unbewusst – viel unternehmen, um als Kopien zu sterben. Dabei sollten wir bei uns und damit Originale bleiben. Das ist die Aufforderung, und das ist zugleich die Herausforderung.

Und wenn das jemand allein nicht schafft?

Andi Zemp: Dafür gibt es Hilfe – man muss nicht immer gleich zum Psychotherapeuten oder zur Psychologin gehen. Ich kenne beispielsweise eine männliche Führungskraft, die geht alle zwei Wochen in die Körpertherapie. Dieser Mann merkt dadurch schnell, ob er bei sich ist, sich spüren und sich entspannen kann. Im Stress entwickelt der Mensch einen Tunnelblick, und er beraubt sich dadurch jeglicher Möglichkeit zum Entspannen. Sich hingegen etwas zuliebe tun, etwas für sich zu machen und abzuschalten, das öffnet die Sinne.

Viele gehen deshalb joggen!

Andi Zemp: Bewegung ist auf jeden Fall gut. Joggen kann aber auch sehr kompetitiv sein, wenn man gegen die Uhr joggt. Wer sich sonst schon in einem wettbewerbsgetriebenen, stressigen Umfeld bewegt, tut sich damit nichts Gutes. Den Fehler machen viele. Dem Körper ist es letztlich egal, ob der Stress positiv oder negativ ist. Er schüttet einfach Stresshormone aus. Entgegen der landläufigen Vorstellung macht der Psyche auch zu viel positiver Stress etwas aus.

Fazit: Auf sich zu hören und sich selbst wertzuschätzen, ist der erste und wichtigste Schritt zur Selbstfürsorge.

*Andi Zemp: Absolut! In Umfragen unter Mitarbeitenden beklagen sich oft viele über einen Mangel an Wertschätzung. Die vorgesetzte Person kann dieses Feedback in den wenigsten Fällen verstehen. Dabei müssen beide, Vorgesetzte wie Untergebene, unterscheiden lernen: Wertschätzung bezieht sich auf die Person, Lob auf die Arbeit. Im Extremfall kann ich eine Person loben, ohne sie wertzuschätzen. Die Wertschätzung beginnt bei einem selbst.

Andi Zemp ist Psychologe, Notfallpsychologe und eidg. anerkannter Psychotherapeut FSP. Er betreibt in Bern seine eigene psychotherapeutische Praxis und arbeitet als Vertrauenspsychologe für verschiedene Unternehmen und Organisationen. Seit 2005 wirkt er im Freiwilligenteam von Carelink mit. Zudem ist er Dozent für Notfallpsychologie in der Aus- und Weiterbildung «Care&Peer Practice» (CPP), die Carelink im Auftrag des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD) organisiert und koordiniert.