Diese Bilder, die immer wiederkehren
Hirnforscher Alexander Jatzko weiss, was da im Kopf vorgeht.
Was können traumatische Erlebnisse im menschlichen Hirn auslösen? Der Arzt Alexander Jatzko forscht seit Jahren zum Thema und hat Antworten. An der Carelink-Freiwilligentagung hat er sie den Teilnehmenden präsentiert. Seine Erkenntnisse können Folgen haben für die Betreuung Betroffener.
Es sind diese Bilder, die sich im Kopf festkrallen. Sie schieben sich nachts vor das innere Auge. Als Alptraum, der das Erlebte in all seinem unbeschreiblichen Schrecken wiederholt. Und sie tauchen selbst nach Jahren wieder auf. Weil ein Gegenstand, ein Geruch oder ein Geschmack an den erlittenen tiefen Einschnitt ins Leben erinnert und alles wieder wachruft.
Einige Menschen in Deutschland müssen seit dem 28. August 1988 mit Bildern wie diesen leben. Ein Flugzeug einer Kunstflugstaffel stürzte damals im pfälzischen Ramstein in die Menge der Zuschauenden. Siebzig Personen starben. Überlebende des Unglücks und Angehörige der Todesopfer, die alles mitansehen mussten, litten oder leiden teilweise bis heute unter ihrem Trauma.
Alexander Jatzko hat die Gehirne einer Gruppe von Ramstein-Überlebenden untersucht. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern. Als neurobiologischer Forscher führt er die Arbeit seiner Eltern weiter: Die Gesprächstherapeutin Sybille Jatzko und der Arzt Hartmut Jatzko haben sich um die Betreuung Betroffener nach der Katastrophe von Ramstein sehr verdient gemacht und sich in der Katastrophennachsorge einen Namen geschaffen.
Psychische Störungen, die als Folge von Traumata auftreten können, hat Alexander Jatzko mit dem Kernspintomografen bildlich festgehalten. Er ist dabei auf Hirnareale gestossen, die durch ein traumatisches Erlebnis und durch die daraus resultierende Posttraumatische Belastungsstörung verändert worden sind. Das Grosshirn, das der Mensch braucht, um bewusst zu denken, wird nicht mehr richtig durchblutet. Es verliert damit die Kontrolle über die Hirnbereiche, welche die Emotionen steuern. Auch das Angst- und Gedächtniszentrum im Gehirn kann das Grosshirn nicht mehr in Schach halten. Kurz: Die negativen Emotionen und die schmerzhaften Erinnerungen können ungehindert wuchern und immer wieder, auch aus scheinbar nichtigem Grund, überhandnehmen. Sie haben quasi freie Bahn. Das ist gemäss Erkenntnis von Alexander Jatzko umso fataler, «als der Mandelkern, einer der Hauptakteure im emotionalen Gedächtnis, bei Traumafolgestörungen deutlich heftiger auf negative Reize reagiert».
Und was heisst das nun für die Betreuung von Menschen, die gerade schwer Wiegendes erlebt haben? Was heisst das für die Caregivers, die für Carelink und ihre Kunden Einsätze leisten? Alexander Jatzko persönlich gibt im Interview Auskunft.