Online-Therapie: Was spricht dafür?

Auch im Bereich Care stellt sich die Online-Frage.

Die einen haben langsam genug. Die andern sehen in Video-Gesprächen die Zukunft. Andi Zemp* führt Psychotherapien seit 2013 auch online durch. Im Interview mit der Journalistin Cornelia Eisenach wägt er Vor- und Nachteile ab. Für Carelink und Care fügt er eine weitere Dimension hinzu.

Andi Zemps Aussage kommt unerwartet: Online geben die Menschen in den Therapiegesprächen schneller mehr von sich preis. Das Interview, das die Wissenschaftsjournalistin Cornelia Eisenach für die NZZ am Sonntag mit ihm geführt hat, bringt weitere bedenkenswerte Aspekte der Online-Therapie glasklar auf den Punkt. Die NZZ am Sonntag und die Autorin haben Carelink die Wiedergabe des Beitrags erlaubt, der am 17. April 2021 zuerst online erschienen ist.

Vor dem Hintergrund von Care erhält das Interview eine weitere Dimension. Andi Zemp plädiert am Telefon dafür, die Online-Option auch für Care zu nutzen. Eine «differenzielle Indikation» sei dabei wichtig: Wie in der Psychotherapie gelte es auch im Bereich von Care und Notfallpsychologie zu unterscheiden, welcher Kommunikationsweg sich für wen und für welches spezifische Thema eigne: «Wann ist online auch gut, vielleicht sogar besser oder letztlich besser als gar nichts? Das sind Fragen, die sich dabei stellen.»

Andi Zemp spricht am Telefon noch vom «Talking-to-a-stranger-Effekt» und schliesst damit an das Interview in der NZZ am Sonntag an: Wer sein Gegenüber nicht kenne und mit dieser fremden Person, zum Beispiel auf einer Zugsfahrt, ins Gespräch komme, öffne sich eher. «Ähnlich ist es online: Eine Person ist weniger abgelenkt, als wenn sie in eine Praxis kommt, wo etwa die Inneneinrichtung und die Farbe der Wände doch schon sehr viel aussagen und Botschaften aussenden.» Dadurch fällt es ihr möglicherweise leichter, sich auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu fokussieren und diese offen zu artikulieren. Eine Online-Therapie oder psychosoziale Nothilfe per Video kann also unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen durchaus zum angestrebten Ziel führen.

* Andi Zemp ist Psychologe, Notfallpsychologe und Psychotherapeut. Er betreibt in Bern seine eigene psychotherapeutische Praxis und arbeitet als Vertrauenspsychologe für verschiedene Unternehmen und Organisationen. Seit 2005 wirkt er im Freiwilligenteam von Carelink mit. Zudem ist er Dozent für Notfallpsychologie in der Aus- und Weiterbildung «Care&Peer Practice» (CPP), die Carelink im Auftrag des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD) organisiert und koordiniert.