«Ja, es geht Sie etwas an!» – Imke Knafla über die Rolle von Führungskräften bei Krisen

Covid hat seine Spuren hinterlassen, wie eine Studie der Uni Bern aus 2022 zeigt: 30% der Arbeitnehmenden fühlen sich ziemlich oder sehr erschöpft. Dies kostet der Schweizer Wirtschaft rund 6.5 Mrd. CHF pro Jahr. Imke Knafla betont die Wichtigkeit von Führungskräften und welche Rolle sie einnehmen müssen, um die psychische Gesundheit ihrer Teams zu erhalten.

Die Zahlen geben Anlass zur Sorge: Die psychische Belastung von Arbeitnehmenden hat während Covid zugenommen und bleibt auch aktuell unverändert hoch. 30% der Arbeitnehmenden fühlen sich ziemlich oder sehr erschöpft, wobei vor allem die junge Generation unter 30 besonders stark betroffen ist.

«Aufgrund des «Spillover»-Effekts ist es nicht relevant, ob die Belastung einen privaten Ursprung hat, da sie früher oder später die Arbeitsleistung beeinflussen wird», führte Knafla dazu aus. Dementsprechend ist es wichtig, dass das Unternehmen und die Führungskräfte sich dem Thema annehmen und Massnahmen ergreifen. Das fängt mit der richtigen Haltung an: Nur wer das Thema «psychische Belastung» am Arbeitsplatz in Betracht zieht und dafür sensibilisiert, kann auch erwarten, dass sich die Mitarbeitenden unterstützen lassen. «Die «Burnout»-Thematik der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass die Aufmerksamkeit für psychische Belastungen mehr gegeben ist», so Knafla.

Den Menschen als Ganzes betrachten
In einem nächsten Schritt geht es darum, die Führungskräfte darin zu schulen, Auffälligkeiten zu erkennen, diese anzusprechen und Unterstützung anzubieten. Der Umgang mit psychisch belasteten Personen erfordert allerdings Geduld und Feingefühl – nicht jede/r Betroffene geht offen damit um und nimmt Unterstützung an. Die Führungskräfte sollten dabei auch nicht nur auf den Erhalt der Arbeitsleistung abzielen, sondern den Menschen als Ganzes betrachten. Ansonsten gilt es, einen engen Kontakt mit der betroffenen Person beizubehalten und das Angebot der Unterstützung aufrechtzuerhalten. Sofern externe Fachpersonen notwendig sind, sollten diese beigezogen werden.

Gelebte Sorgekultur ist zentral
Knafla erachtet auch übergeordnete Massnahmen als wichtig: «Im Idealfall gestalten Unternehmen ihre Unternehmenskultur so, dass die Mitarbeitenden von selbst auf ihre Vorgesetzten zugehen». Um dies zu erreichen, braucht es eine Kultur des Hinsehens (Sorgekultur), gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen und eine Vorbildfunktion der Führungskräfte. Nur so kann Vertrauen aufgebaut und gelebt werden.

Der Output kann sich sehen lassen – eine Sorgekultur fördert die Motivation der Arbeitnehmenden und die Fluktuation und Ausfallzeiten verringern sich, was sich letztendlich auch positiv auf den Erfolg des Unternehmens und die volkswirtschaftlichen Folgekosten auswirkt.

 

Prof. Dr. Imke Knafla, Leiterin des Zentrums für Klinische Psychologie & Psychotherapie, ZHAW
Prof. Dr. Imke Knafla ist Co-Leiterin des Zentrums Klinische Psychologie & Psychotherapie am Institut für Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, Coach & Supervisorin leitet die psychologische Beratungsstelle der ZHAW.

 

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