Hilft Care bei der Wiedereingliederung nach Schicksalsschlägen? Eric Sigrist kennt beide Bereiche.

Vertrauen ist für Eric Sigrist der Schlüssel zu einem guten Gespräch und «manchmal braucht es nicht viel». Als Caregiver kann er von seinem beruflichen Rucksack als Wiedereingliederungsfachmann profitieren. Umgekehrt fliessen die Erfahrungen im Umgang mit traumatisierten Menschen in seine tägliche Arbeit ein.

Wieso engagierst du dich als Wiedereingliederungsfachmann als Caregiver?

Seit 25 Jahren bin ich in der Arbeitsintegration tätig. In meiner täglichen Arbeit treffe ich oft auf Menschen, die lebenseinschneidende Ereignisse erlebt haben und Mühe bekunden, diese zu verarbeiten. Mein Anliegen als Caregiver ist es, direkt nach einem solchen Erlebnis betroffene Menschen in einer schwierigen Situation zu entlasten.

Welche Unterschiede gibt es zwischen deiner täglichen Arbeit und Einsätzen als Caregiver?

Die Herangehensweise ist nicht dieselbe, weil die Situation eine andere ist. Als Caregiver befinde ich mich unmittelbar in einem Ereignis; in der Beratung im Wiedereingliederungsprozess liegt ein mögliches traumatisches Ereignis schon etwas länger zurück.

Worin besteht die besondere Herausforderung?

Als Caregiver bin ich gefordert, innert kurzer Zeit Vertrauen und eine tragfähige Beziehung aufzubauen, damit sich Betroffene ernst genommen fühlen und sich für ein Gespräch öffnen. Vertrauen ist die Basis, um einen Menschen zu motivieren über das Erlebte zu sprechen und ein gutes Gespräch entstehen zu lassen.

Hilft dir dabei dein Erfahrungsrucksack als Wiedereingliederungsfachmann?

Ja, im Wiedereingliederungsprozess erlebe ich manchmal Menschen, die noch leiden. Sie fühlen sich nicht gut, sind psychisch angeschlagen, auch wenn das belastende Ereignis weit zurückliegt. Der Aufbau der Selbstwirksamkeit und die Förderung des Selbstvertrauens sind dann wichtig.

Gibt es eine Lücke zwischen dem Einsatz als Caregiver und der Wiedereingliederung?

Wie Menschen mit belastenden Situationen umgehen, ist abhängig von deren Resilienz. Das persönliche Umfeld ist wichtig, aber auch die Unterstützung von psychiatrischen und psychologischen Fachpersonen sowie Arbeitgebenden. Was viele nicht wissen: Die IV bietet Massnahmen zur Wiedereingliederung bei einer Rückkehr an den Arbeitsplatz an. Es gibt leider Arbeitgebende, die eine Kündigung aussprechen, weil sie uneingeschränkt leistungsfähige Mitarbeitende bevorzugen.

Was ist die Schwierigkeit bei der Reintegration mit einer psychischen Beeinträchtigung?

Im Gegensatz zu einer körperlichen Beeinträchtigung ist die psychische nicht unmittelbar sichtbar. Die Unsichtbarkeit erschwert es Arbeitgebenden, eine Person zu integrieren. Es kommt daher auch auf die betroffene Person an, wie sie selbst mit der eigenen Gesundheitssituation umgeht.

Fehlt es an Verständnis für die Herausforderungen einer Arbeitsintegration?

Ich bespreche mit Arbeitgebenden, was zu erwarten ist und welche möglichen Herausforderungen aufgefangen werden müssen. Zentrale Fragen sind, was am Arbeitsplatz umsetzbar ist und was nicht.

Was befähigt dich, als Caregiver tätig zu sein?

Es geht darum, den Menschen wieder Sicherheit und Orientierung zu vermitteln und mit Zuversicht vorwärtszuschauen. Mir wird nachgesagt, dass ich Ruhe ausstrahle. Als Caregiver muss man Ruhe vermitteln können oder versuchen, eine solche zu schaffen. Zudem ist uneingeschränkte Offenheit wichtig. Die Arbeit als Caregiver ist sehr ressourcenorientiert und wiederermächtigend. Hierfür ist es hilfreich, innert kürzester Zeit Vertrauen aufbauen zu können.

Du hast ein Buch über Vertrauensbildung geschrieben. Wie schafft man solche?

Ich versuche, in der Betreuung und Beratung offen auf die Menschen zuzugehen. Sie sollen spüren, dass ich mit ihnen vorurteilslos ins Gespräch gehe. Es soll ein sicherer Raum geschaffen werden, in dem Emotionen und Schamgefühle ihren Platz finden. Es sind kleine Dinge, die das Vertrauen bilden.

Zu guter Letzt: Was gibt dir die Aufgabe als Caregiver?

Ich denke nicht darüber nach, was es mir bringt, sondern darüber, was ich in einer schwierigen Situation beitragen kann, um unterstützend und entlastend einzuwirken. Bei meinem ersten Einsatz habe ich mit zwei Männern je ein halbstündiges Gespräch geführt. Echtes Interesse, aktives Zuhören und Empathie haben dazu geführt, dass sie mir nach dem Gespräch mitgeteilt haben, dass ihnen das «Darüber-Sprechen» gutgetan und entlastend gewirkt habe. Das war für mich ein Aha-Erlebnis. Manchmal braucht es nicht viel.

 

Eric Sigrist ist seit 25 Jahren in der Arbeitsintegration tätig sowohl als Berufs- und Laufbahnberater als auch als Wiedereingliederungsfachmann, aktuell bei der Invalidenversicherung. Als Autor hat er sich mit der «Vertrauensbildung und Beziehungsgestaltung in der psychosozialen Beratung» befasst. Er engagiert sich seit 2018 bei Carelink als Caregiver. Seit Sommer 2022 hat er die Funktion eines Teamleaders im Einsatz.

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