Ein Notfallkonzept muss her!

Die absolute Sicherheit gibt es nicht.

Beat Schär weiss, worauf es in der Krise und im Krisenmanagement ankommt. Der Mann der Lüfte – er hat seit Jahrzehnten Führungspositionen im Flugverkehr inne – bleibt auf dem Boden: Ein solides Konzept und eine gewissenhafte Vorbereitung haben ihm schon geholfen, als er 1998 nach dem Absturz der Swissair-Maschine vor Halifax das Emergency Team leitete.

Drei Jahreszahlen standen am Anfang des Referats, das Beat Schär, heute Geschäftsführer der Air Berlin LeaseLux, an der Carelink-Fachtagung vor mehr als 150 Teilnehmenden hielt: 1995 führte die Swissair, deren Mitglied der Konzernleitung er war, eine gross angelegte Notfallübung durch. Was auf dem Papier entworfen war, musste den praktischen Stresstest bestehen. 1996 stürzte vor Long Island ein Jumbo der TWA ins Meer. «Bei der unmittelbaren Bewältigung jener Krise», so Beat Schär, «lief vieles schief.» Daraus liessen sich Lehren ziehen. 1998 dann hatte die Swissair selber ihre damalige kolossale Bewährungsprobe zu bestehen. Bei aller Trauer um die 229 Opfer bekam sie viel Lob für jenes Krisenmanagement.

 

Sich aufs Schlimmste vorbereiten

Wenige Monate danach stellte Pierre J. Jeanniot, damals Chef der Iata, der International Air Transport Association, diese Rechnung auf: «80 Prozent der Unternehmen, die von einer Katastrophe heimgesucht werden, vorgängig aber keinen Krisenplan definiert haben, sind innerhalb von fünf Jahren weg vom Fenster.» So sehr eine Fluggesellschaft auf Sicherheit achte, fuhr an der Tagung Beat Schär weiter, ein Restrisiko bleibe, denn absolute Sicherheit gebe es für keine menschliche Aktivität. Darum müsse man sich seriös auf den schlimmsten aller Fälle vorbereiten.

 

Am Anfang die Kommunikation

«In der Nacht vom 1. auf den 2. September 1998 hatten wir es anfänglich ausschliesslich mit Kommunikation zu tun.» Rund eine Stunde, nachdem SR111 vom Radar verschwunden war, meldete sich der «Toronto Star», und kurz darauf kam bereits die erste Meldung auf CNN. Von da weg dauerte es gerade noch rund zwei Stunden, bis die Swissair den Absturz offiziell bestätigte und für Zürich, Genf und die Vereinigten Staaten Telefonnummern bekannt gab, wo sich die Angehörigen melden konnten. Die Medien bekamen in Zürich ihre eigene Nummer und eine Einladung zu einer frühmorgendlichen Medienkonferenz. Weitere Aktivitäten waren eine Frage weniger Stunden, nachdem das Emergency Team der Swissair in Aktion getreten war. In den folgenden vier Tagen gingen auf den Telefonnummern übrigens rund 56’000 Anrufe ein.

 

Konzept: drei Säulen mit Fundament

Beat Schär und das Emergency Team hatten längst vor dem Absturz von SR111 ihr umfassendes Notfallkonzept entwickelt: Es beruht auf den drei Säulen Command, Care und Communication. Schnelle Entscheidungsprozesse und die Einbindung der Unternehmensspitze, die Betreuung der Betroffenen als besonders wichtiger Punkt und die Kommunikation entscheiden über den Erfolg eines Krisenmanagements. Die drei Säulen haben fünf Prinzipien als Fundament: klar geregelte Verantwortlichkeiten, eigenständige Entscheide, Kommunikation, Kenntnisse der Management-Prozesse – und schliesslich: Vorbereitung, Training und Bereitschaft rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr.

 

«Meine persönliche Checkliste habe ich immer bei mir», verriet Beat Schär und zeigte drei A4-Seiten, auf denen er alle Aktionen für sich festgehalten hat, die eine Krise auslöst. «Die ersten 24 Stunden sind kritisch. Wenn in dieser Zeit etwas schief läuft, sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit dahin.» Die Wahrheit zu sagen, habe übrigens einen Vorteil, schloss er: «Man wird nie beim Lügen erwischt.»