Dem Trauma ein Gesicht geben.
Mathias Braschler und Monika Fischer haben Attentatsopfer porträtiert.

Utøya, Bataclan Paris, Breitscheidplatz Berlin: Die Namen haben sich eingeprägt. Doch wer denkt an die Überlebenden jener Attentate? Das fotografierende Paar Mathias Braschler und Monika Fischer hat einige porträtiert. Ihr Bericht und ihre Bilder haben an der Carelink-Fachtagung tief berührt.

Mathias Braschler hat früher als Reportagefotograf gearbeitet: hin zum Ort des Geschehens, Kamera hochhalten, Auslöser drücken. «Das war einfach nicht mein erster Instinkt», gibt er im persönlichen Gespräch sehr direkt zu. Deshalb hat er zur Porträtfotografie gewechselt. Sie erlaubt Tiefe, Auseinandersetzung, Empathie.

«Wir sind an Menschen interessiert»

Er und Monika Fischer kennen sich seit nunmehr 30 Jahren, und seit 18 Jahren arbeiten sie auch zusammen. «Wir sind an Menschen interessiert, an den Themen, die sie aktuell bewegen», sagt Mathias Braschler. «Doch an die Menschen heranzukommen, ist gar nicht so einfach», fügt Monika Fischer an. «Unsere Recherchemethoden und unsere Strategien ändern sich immer wieder und können sich über Monate erstrecken.»

Im Gespräch versuchen die beiden, ihre Interviewpersonen zu deren Emotionen zu führen. Dann erst, auf der Basis des Vertrauens und der Offenheit, beginnen sie zu fotografieren und zu filmen. Die Bilder und Videos erhalten dadurch eine Dimension, die sich dem beschreibbaren Rationalen entzieht.

Vom Leben nach dem Überleben

«Wir wählen immer die schweren Themen», so Monika Fischer. Ihre Porträts von Menschen, die Anschläge überlebt haben, sind im englischen «Guardian», im deutschen «Stern» und im Magazin des «Tages-Anzeigers» erschienen. An der Carelink-Fachtagung haben sie von diesen «Survivors» berichtet, von deren Leben nach dem Überleben. Sie haben von der Frau erzählt, die sich 2011 schwimmend von der Insel Utøya rettete und so den Schüssen des Attentäters Anders Bering Breivik entkam. Die Frau hat seither zwei Kinder geboren. Sie habe, zitiert sie Monika Fischer, noch im Kreisssaal das Bild von Breivik vor Augen gesehen – wie zum Trotz.

Ein Mann und eine Frau, die 2015 den Anschlag auf das Konzertlokal Bataclan in Paris überlebt haben, sind sich in der Reha-Klinik nähergekommen, wo sie sich von ihren Schusswunden erholten. Sie sind heute ein Paar, das sich auf einer zusätzlichen Ebene versteht, da beide den gleichen Terror erlebt haben.

Der Terrorist hat nicht gewonnen

«Der Attentäter hat mich und die Dinge, die ich liebe, nicht zerstört», sagt der Mann, der 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin seinen Freund Peter verloren hat. Gerade noch hatte er mit Peter bei einem Glühwein gelacht, als der islamistische Attentäter den Sattelschlepper in die Menge steuerte. Im Video-Interview, das Mathias Braschler und Monika Fischer gedreht haben, erzählt er vom Trauma, an dem er gelitten habe, von der Trauer um seinen Freund Peter, der direkt neben ihm gestanden hatte, von der anschliessenden Depression, die ihn heimgesucht habe, und schliesslich vom Schuldgefühl des Überlebenden, das ihn geplagt habe. Irgendwann aber, berichtet er im Video, kam die Zeit für einen lebensbejahenden Entscheid: «Ich versuche, laut zu lachen, wie es Peter getan hat.»

Die Frau, die dem Attentat auf der Insel Utøya entkommen ist, das Paar, das sich nach dem Anschlag auf das «Bataclan» gefunden hat, der Mann, der sich nach dem gewaltsamen Tod seines Freundes auf dem Berliner Weihnachtsmarkt zu neuem Mut aufgerafft hat: Sie haben Namen. Mathias Braschler und Monika Fischer kennen sie alle auswendig. Zu etlichen der Porträtierten halten sie weiterhin Kontakt – und sie zu ihnen. «Sie haben hohe Resilienz bewiesen», so Monika Fischers einfaches wie starkes Fazit.

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