Dem Burnout aktiv und bewusst vorbeugen – auch in der Führung
Erfolg ist etwas anderes, als viele meinen.
Und plötzlich ging nichts mehr: Burnout! Der Begriff ist in aller Munde und häufig mit falschen Vorstellungen und Interpretationen belegt – ebenso wie der Begriff des Erfolgs. Daran und an einer wirksamen Burnout-Prophylaxe gilt es zu arbeiten. Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Rolle.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert in der «Internationalen Klassifikation der Erkrankungen» Burnout als «Ausgebranntsein» und als «Zustand der totalen Erschöpfung». Gemäss dieser Klassifikation gilt Burnout nicht als eigenständige Krankheit, aber als Zusatzcodierung zur ärztlichen Diagnose: Der Zustand kann Krankheiten auslösen.
Ist die Zunahme von Burnout-Fällen nun einen Ausdruck unserer Zivilisation oder der zunehmenden Sensibilisierung der Ärzte? Wahrscheinlich beides. Tatsache ist, dass die Anforderungen an Mitarbeitende im globalen Markt zunehmen. Der Druck am Arbeitsplatz steigt stetig, viele sind ununterbrochen online und können kaum noch abschalten. Dabei ist genau dieses Abschalten eine wichtige Voraussetzung, um sich zu erholen und sich vor dem Ausbrennen zu schützen. Mochte sich das Burnout ursprünglich auf Menschen in sozialen Berufen konzentrieren, die oft mit negativen und belastenden Emotionen umgehen müssen, so häufen sich die Burnout-Fälle heute genauso in der Wirtschaft.
Wie definiert sich Erfolg?
Tatsache ist aber auch, dass heute Personen, die immer noch mehr wollen und noch mehr von sich selbst und von anderen verlangen, die zu Gunsten des eigenen und des unternehmerischen Fortschritts stets wacker vorangehen, Symbole für Erfolg sind. Dr. Beate Schulze, Vizepräsidentin des Swiss Expert Network on Burnout und Professorin an der Universität Zürich, hat es kürzlich an einem Vortrag vor Psychologen von Carelink deutlich gemacht: Aussagen wie «er arbeitet praktisch pausenlos», «sie trägt die Verantwortung für 1000 Mitarbeitende», «er arbeitet oft 16 Stunden am Tag», «sie hat unzählige Überstunden», «er gehorcht 34 Auftraggebern» sind in der Regel anerkennend gemeint. An krankhaftes Verhalten denken die wenigsten. Doch genau ein solcher Lebensstil, so Beate Schulze, könne dazu führen, dass irgendwann der Tank leer sei und die Energie nicht mehr ausreiche, um den Alltag zu meistern. Dann könnten die Betroffenen zwar noch Vollgas geben, aber sie kämen nicht mehr vom Fleck.
Die Symptome erkennen
Ein Burnout stellt sich nicht von einem Tag auf den anderen oder gar von einer Sekunde auf die andere ein. Es kündigt sich in verschiedenen Phasen an, nur verschliessen viele vor diesen Anzeichen die Augen.
- Erste Warnzeichen: Gesteigerter Einsatz, mehr Überstunden, Erschöpfung oder vegetative Überreaktionen
- Reduziertes Engagement: verminderte soziale Interaktion, negative Einstellung zur Arbeit, Konzentration auf eigenen Nutzen
- Emotionale Reaktionen: Insuffizienzgefühle, Pessimismus, Leere, Hoffnungslosigkeit, Energiemangel, Gefühl von Hilflosigkeit, Schuldzuschreibung an andere bzw. «das System»
- Abnahme von kognitiven Fähigkeiten: mangelnde Motivation, Kreativität und Differenzierungsfähigkeit
- Abflachung des emotionalen und sozialen Lebens
- Psychosomatische Reaktionen: Verspannungen, Schmerzen, Schlafstörungen, keine Erholung in der Freizeit mehr möglich, veränderte Essgewohnheiten, Zehren von der eigenen Substanz
- Depression und Verzweiflung: Gefühl von Sinnlosigkeit, negative Lebenseinstellung, existenzielle Verzweiflung, Suizidgedanken oder -absichten
Quelle: Dr. B. Schulze, 2014, gemäss Burisch 2005, Shirom & Melamed, 2005
Ein Burnout ist somit eine Etappe in einem Prozess, und dieser geht über das Ausgebranntsein hinaus: Aus Stress wird ein Burnout, und dieses führt zu einer depressiven Verstimmung, aus der sich eine klinische Depression entwickeln kann.
Prädisponiert für ein Burnout?
Gemäss Beate Schulze haben diverse Studien gezeigt, dass Persönlichkeit und Umfeld eine Prädisposition für ein Burnout schaffen können:
Auf Ebene Persönlichkeit:
- Hoher Leistungsanspruch an sich selbst
- Hohes Pflichtbewusstsein
- Starke Versagensängste
- Perfektionismus
- Unrealistische Erwartungen
- Überidentifizierung mit der Arbeit
- Misstrauen gegenüber andere Menschen
- Selbstüberschätzung
- Nicht Nein sagen können
- Ignorieren physischer und psychischer Warnsignale
Auf Ebene Umfeld:
- Grosse Arbeitsmenge
- Hoher Termindruck
- Mangelnde Ressourcen
- Mangelnde Selbstbestimmung / fehlender Handlungsspielraum
- Häufiger, intensiver Kundenkontakt
- Fehlende Anerkennung
- Schlechte Teamarbeit
- Konflikte
- Angst vor (Arbeits-)Verlust
Die Aufzählungen sind zwar nicht erschöpfend, sie zeigen aber, dass ein Burnout nicht nur Manager oder Berufstätige treffen kann, sondern auch Arbeitslose, Hausfrauen, Mütter und Väter, Pensionierte, junge Menschen in Ausbildung.
Burnout-Prävention ist Führungsaufgabe!
Vorgesetzte spielen eine wichtige Rolle in der Burnout-Prävention und müssen, so Beate Schulzes Folgerung und Forderung, entsprechend ausgebildet werden. Eine gute Führung hält gesund und macht gesund! Besonders wichtig ist Anerkennung: Studien haben ergeben, dass gerade fehlende Anerkennung die Entwicklung eines Burnouts fördert. Vorgesetzte haben es in der Hand, Arbeit so zu gestalten, dass sie die Mitarbeitenden als positive, stimulierende Herausforderungen erleben. Vorgesetzte sollten sich, so Beate Schulze, auch mit der Persönlichkeit der Mitarbeitenden auseinander setzen und bei überhöhtem, gesundheitsgefährdendem Engagement Grenzen setzen. Sowohl Vorgesetzte als auch Mitarbeitende müssten lernen, zu erkennen, wann und was «genug ist». Entscheidend dabei ist, dass Vorgesetzte ihre Erwartungen klar und deutlich kommunizieren, denn vielfach erwachsen Stress und Überforderung auf Mitarbeitendenseite aus übersteigerten Vorstellungen, was die Leistungsansprüche der Führung betrifft, und gleichzeitig aus exzessiven Anforderungen an sich selbst. Oder anders ausgedrückt: Burnout-Prophylaxe braucht das Zusammenspiel von persönlichem Ressourcenmanagement und guter Führung.