«Das Glas sollte stets halbvoll sein.»
Prof. Dr. Ulrike Ehlert zu «Stress und Resilienz».

Ein Phänomen unter Schweizer Bergführern? Mehr als 80 Prozent haben Belastendes erlebt, aber nur rund 2 Prozent leiden darunter. Prof. Dr. Ulrike Ehlert von der Universität Zürich kann die Zahlen wissenschaftlich belegen. Woher rührt das? An der Carelink-Fachtagung hat sie Antworten gegeben.

Das berühmte, zur Hälfte gefüllte Glas: Für sie ist es auf jeden Fall halb voll. Nicht halb leer. Für sie ist auch klar, warum mehr Männer übergewichtig sind als Frauen, diese aber eher zu Depressionen neigen: Männer sind, kurz und allgemein ausgedrückt, die besseren Geniesser. Das hat Prof. Dr. Ulrike Ehlert – sie leitet das Psychologische Institut der Universität Zürich – aus Zahlen des Bundesamts für Statistik herausgelesen.

Sinn für Kohärenz

Woher kommt die Fähigkeit, optimistisch und positiv zu bleiben, auch wenn das Leben einmal garstig ist? Ulrike Ehlert spricht von «Kohärenz» –gerade auch mit Blick auf die untersuchten Schweizer Bergführer, die trotz Stresssituationen gesund bleiben: Menschen mit einem hohen Kohärenzgefühl betrachten Schwieriges oder gar Traumatisches als Herausforderung, suchen darin einen Sinn, oder eben die Kohärenz, und aktivieren Bewältigungsmechanismen.

Auch die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen, die einen in schwierigen Situationen überkommen, scheint ein Schutzfaktor zu sein: Gemäss einer Studie unter Feuerwehrleuten haben diejenigen weniger unter Belastungen gelitten, die anschliessend darüber gesprochen haben. Das Bild vom starken Mann, der alles mit sich selbst ausmacht, ist also definitiv falsch.

Gefühlsregulation und Optimismus

Wenn es darum geht, einer Belastung entgegenzuhalten, spielt ein weiterer Faktor mit: die hedonistische Emotionsregulation. Ulrike Ehlert bezeichnet damit die Fähigkeit, negative Stimmung abzuklemmen bzw. eine positive Grundeinstellung beizubehalten. Wer unter Stress einen normalen Blutdruck oder eben ruhig Blut bewahrt, gibt sich Raum zur Gefühlsregulation und somit auch zu langfristig besserer psychischer Gesundheit.

Verhilft Optimismus letztlich gar zu einem längeren Leben? Auf die Überlebenszeit von rund 2500 krebskranken Menschen, so eine Studie aus den Niederlanden, hatte der Optimismus auf jeden Fall Einfluss.

… und dazu Resilienz

Der Australier Bill Hatfield hat mit 81 Jahren die Welt allein und nonstop umsegelt – gegen den Wind. Der Georgier Lewan Berdsenschwili hat die Jahre im sowjetischen Straflager als die besten seines Lebens bezeichnet: «So viele grossartige Persönlichkeiten auf einem Haufen sieht man selten.»

Was eint Menschen wie Bill Hatfield und Lewan Berdsenschwili? Woraus ziehen sie ihre psychische Widerstandskraft, ihre Resilienz? Ulrike Ehlert macht sieben Fähigkeiten aus: die Selbstwirksamkeit, die aus Selbstvertrauen wächst, und die Selbstkontrolle, die negative Gefühle in Schach hält, dann aber auch die Fähigkeit, Unterstützung zu geben und anzunehmen, schliesslich aus Schwierigkeiten und Fehlern zu lernen, an Problemen zu arbeiten, für sich selbst Mitgefühl zu zeigen und gelassen zu bleiben.

«Selbst wenn wir Belastungen bis hin zu einem Trauma erleben, können wir uns schützen», so Ulrike Ehlert. Dazu sei es wichtig, Gefühle zu erkennen, und hedonistische Emotionsregulation reduziere Stress. Optimismus, soziale Unterstützung und die eigene Resilienz sind die weiteren Pfeiler, um psychisch gesund zu bleiben.