Auch Helfer brauchen Helfer

Niemand ist «unverwundbar».

Rund jeder zehnte Helfer, der mit Menschen nach traumatischen Ereignissen konfrontiert ist, läuft Gefahr, selber psychisch zu erkranken. Wie kann dieses Risiko reduziert werden?

Gemäss einer deutschen Studie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erleiden 2,3 Prozent der ehrenamtlichen Einsatzkräfte selber eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Dies ist dreimal mehr als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Viel häufiger, nämlich bei 8,2 Prozent der Einsatzkräfte, treten als Folge der Belastungen jedoch andere stressbedingte Erkrankungen wie Burnout, Angststörungen, psychosomatische Beschwerden und Depressionen auf.

Die Gefahr der sekundären Traumatisierung in Helferberufen ist inzwischen allgemein bekannt. Dennoch wird von Sanitäts- und Rettungsdiensten, von Feuerwehren, Notfallpsychologen und CareTeams wie selbstverständlich erwartet, dass sie besser als andere mit aussergewöhnlichen Ereignissen und Belastungen umgehen können. Tatsächlich verfügen diese Berufsleute und freiwilligen Helfer in der Regel auch über ein hohes Mass an psychischer Gesundheit und Stabilität. Gleichzeitig neigen jedoch gerade psychisch stabile Personen nicht selten dazu, die eigenen Fähigkeiten und positiven Eigenschaften zu überschätzen respektive sich für «unverwundbar» zu halten. Dies kann dazu führen, dass auftretende Symptome ignoriert werden und Helfende sich selber die Unterstützungsmöglichkeiten verwehren, die sie anderen zukommen lassen.

 

Die Organisation trägt eine Mitverantwortung

Einsatzorganisationen wie Rettungsdienste, Polizei, Feuerwehr, aber auch Care Organisationen tragen eine entscheidende Mitverantwortung für die Erhaltung der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden und Freiwilligen. Sie haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf deren Umgang mit den tätigkeitsbedingten Herausforderungen und Risiken. Umfassende Unterstützung muss präventiv, also bereits bei der Personalauswahl beginnen. Auf der personalen Ebene sind eine hohe Resilienz, das heisst eine ausgeprägte Fähigkeit, mit Belastungen und Veränderungen umgehen zu können, wichtig. Aber auch eine realistische Selbsteinschätzung und eine gute Reflexionsfähigkeit sind unabdingbare Voraussetzungen.

Grosse Bedeutung kommt dann auch der Aus- und Weiterbildung zu. Wichtig ist, dass eine realistische Vorstellung der Aufgaben, der Chancen und der Risiken vermittelt werden kann. Neben den fachlichen Inhalten und dem Einüben von konkretem Handeln geht es dabei vor allem auch um die Beschäftigung mit der eigenen Psychohygiene. Dabei stehen die Themen Selbstregulierung, Selbstverantwortung und der Aufbau von konstruktiven Stressbewältigungsstrategien im Vordergrund. Entscheidend für die psychische Balance ist dabei die kontinuierliche und ereignisunabhängige Beschäftigung mit den Themen Belastung, Bewältigung und Ressourcenaktivierung. Ein natürlicher Zugang zu den eigenen Bedürfnissen und das Wissen, was einem gut tut, sind für die rasche Regeneration und das Wiederherstellen von «Normalität» nach einem Einsatz wichtig. Die Verfügbarkeit von psychosozialer Unterstützung innerhalb der Organisation, aber auch im privaten Umfeld, stärkt die psychische Balance.

Innerhalb der Organisation trägt die Förderung sozialer Anerkennung und gegenseitiger Wertschätzung, aber auch ein humorvoller Umgang miteinander zu einem positiven Arbeitsklima und damit zur Psychohygiene des Einzelnen bei. Mit klaren Vorgaben bezüglich Einsatzorganisation, Teamzusammensetzung, Informationsfluss, Einsatzdauer und institutionalisierter Nachsorge wird ein Rahmen geschaffen, der vor, während und nach einem Einsatz Struktur und damit Sicherheit vermittelt. Psychosoziale Einsatzvorbereitung, Begleitung während dem Einsatz und Nachsorge sind so als selbstverständliche Elemente in der Organisation verankert und damit integraler Bestandteil eines Einsatzes. Dabei hat sich auch der Einsatz von Peers, das heisst die Einbettung von speziell ausgebildeten Kameraden als Ansprechpersonen, sehr gut bewährt. Dieser strukturelle Rahmen trägt zur Akzeptanz von psychosozialer und notfallpsychologischer Begleitung bei und verringert die Schwelle, damit Helferinnen und Helfer bei Bedarf auch selber Unterstützung anfordern.

 

Fazit

Die Tätigkeit als Einsatzhelfer oder als Einsatzhelferin birgt das Risiko, selber psychisch zu erkranken. Davor ist niemand gefeit. Sind die oben aufgeführten persönlichen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt, sind Einsatzkräfte und Freiwillige jedoch gut gerüstet, damit sie die Herausforderungen ihrer Tätigkeit bewältigen und ihre psychische Balance immer wieder erlangen können. Wenn dies gelingt, kann die Tätigkeit als Einsatzhelfer, sei es im beruflichen oder freiwilligen Rahmen, als ausgesprochen sinnstiftend und befriedigend erlebt werden.

 

Quellen:

  • Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: „Prävention im Einsatzwesen“; Krüsmann, Karl, Schmelzer & Butollo, 2006
  • Hausmann: Handbuch Notfallpsychologie und Traumabewältigung