Aller Anfang ist Organisation

Wie sich SIX für Krise und Notfall aufgestellt hat.

Nicht leicht, in die Büros von SIX in Zürich hineinzukommen. Das Unternehmen entwickelt und betreibt die Infrastruktur für den Schweizer Finanzplatz und die Schweizer Banken – und schreibt Sicherheit gross. Beni Hurschler hat an der Carelink-Fachtagung die Türen von SIX einen Spalt geöffnet. Er verantwortet das Krisenmanagement, die Business Continuity und die Physical Security.

Ein Hochwasser, eine Pandemie, ein Flugzeugabsturz in der Nähe des SIX-Gebäudes: Beni Hurschler schliesst keine Möglichkeit aus. Er hat sich darauf vorbereitet, denn: «SIX ist systemrelevant für die Schweizer Wirtschaft» Die eine und andere Panne, etwa wenn eine Netzwerkstörung Geldautomaten oder Bezahlterminals lahmlegt, hat er mit dem Krisenstab bereits bewältigt. «Insgesamt weisen unsere Systeme eine Verfügbarkeit von hohen 99, 95 Prozent aus.»

Die Datenmengen, welche die Systeme von SIX täglich etwa für den Wertschriftenhandel verarbeiten, übersteigen die menschliche Vorstellung. Und sie machen an der Schweizer Grenze nicht Halt. Die Plattformen arbeiten länderübergreifend, und so sind auch immer irgendwo auf dem Erdball SIX-Mitarbeitende im Büro. Von den rund 3800 Personen, die SIX beschäftigt, arbeitet rund ein Drittel ausserhalb der Schweiz, zum Beispiel an den Finanzplätzen London, New York, Singapur und Tokio. Notfälle und Krisen zu bewältigen, wird dadurch um einiges komplexer.

«Wir haben unser Notfall- und Krisenmanagement breit aufgestellt», so Beni Hurschler. «Je nach Systemrelevanz eines Ereignisses interagieren wir auf dem Finanzplatz Schweiz zudem mit der Interbanken-Alarm- und Krisenorganisation (IAKO), die bei der Nationalbank angesiedelt ist, und mit Krisenstäben des Bundes.»

 

Krisenstab mit klarer Struktur

Der Krisenstab von SIX hat gemäss Beni Hurschler eine Art «Bataillonsstruktur»: Die einzelnen Fachbereiche bzw. die Stabsstellen wie IT und Kommunikation sowie je nach Ereignis die Vertreter der Notfallstäbe der Business Units bilden den modular aufgebauten Krisenstab. «Jede darin vertretene organisatorische Einheit ist personell drei- bis vierfach besetzt. So ist gewährleistet, dass bei der Einberufung immer jemand abkömmlich ist, dass das Know-how bei personellen Wechseln nicht verlorengeht und dass der Krisenstab Tag und Nacht und auch über längere Zeit wirken kann. Verfügbarkeit und Durchhaltefähigkeit sind somit gewährleistet.»

Die straffe Organisation bringt es trotz des personellen Umfangs des Krisenstabs mit sich, dass dieser innerhalb weniger Minuten arbeitsfähig ist. Der fix definierte und entsprechend ausgerüstete Krisenstabsraum dient im Alltag als Sitzungszimmer.

 

Krisenstab als «Think Tank»

Der Krisenstab von SIX tritt nicht ausschliesslich im Not- und Krisenfall in Aktion. Er ist – dies im Gegensatz zu den Krisenorganisationen anderer Unternehmen – stets präsent. Beni Hurschler: «Die Geschäftsleitung kann den Krisenstab als strategisches Führungsinstrument nutzen. Sie kann ihn als Think Tank, als Denkfabrik, einsetzen, um zum Beispiel zukünftige Entwicklungen vorwegzunehmen und sich strategisch darauf vorzubereiten.»

 

Und was den Medien sagen?

Zur konstanten Präsenz des Krisenstabs innerhalb des regulären Geschäftsalltags tragen auch regelmässige Übungen bei. Beni Hurschler erinnert sich an eine spezifische Situation in einer dieser Übungen: «Der IT-Vertreter zählte auf, welche Systeme, rein übungstechnisch, ausgefallen waren, der Risk-Vertreter hob ob der Konsequenzen, die sich daraus ergeben konnten, mahnend den Finger, und der Vertreter des Rechtdienstes wies auf regulatorische und gesetzliche Einschränkungen hin. Da stellte sich dann die Frage, was der Vertreter der Kommunikation gegenüber den Medien überhaupt sagen muss oder sagen darf, und auch die Kommunikation gegenüber den Kunden wollte in diesem Moment wohlüberlegt sein.»

Wer für wen die Informationen bereitstellen und verbreiten muss, ist in der durchdachten Krisenorganisation von SIX ebenfalls präzise geregelt. Die Matrix zeigt beispielsweise auch die Schnitt- bzw. Nahtstelle zwischen dem Bereich Human Resources und Carelink auf. Beni Hurschler bezeichnet die Kommunikation sowohl gegenüber Medien und weiteren Bezugsgruppen als auch gegenüber Angehörigen von allenfalls betroffenen Mitarbeitenden als Königsdisziplin im Krisenmanagement: «Wer die Kommunikation im Griff hat, hat in der Krise schon viel gewonnen.» Und: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in einem Notfall oder einer Krise rasch, regelmässig, wahrhaftig, verständlich, konsistent und empathisch zu kommunizieren.» So anspruchsvoll das in der Praxis auch ist, der Stabschef des Krisenstabs von SIX drückt es noch einfacher und eindringlicher aus: «Sharing is Caring.»